Vorwärts Frauen, in die Kommunalpolitik!

Zur Zeit heiß diskutiert wird die Quote für Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft. Doch auch in der SPD als eine der ersten Parteien, die sich eine Geschlechterquote in ihr Organisationsstatut geschrieben hatte, reißt die Diskussion über eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Politik nicht ab.

Das gilt auch für die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) des Bezirks Braunschweig. Unter dem Motto „Vorwärts Frauen – nach vorn“ nimmt sie die niedersächsischen Kommunalwahlen am 11. September zum Anlass, mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu begeistern: mit gezielter Ansprache, der Einladung zum Austausch und einem breiten Angebot, Politik aus nächster Nähe zu erfahren.

„Mir sind die Räte im Bezirk Braunschweig entschieden zu männlich. Deshalb sollten die Verantwortlichen in der SPD dafür sorgen, dass Frauen gezielt auf aussichtsreichen Listenplätzen nominiert werden“, sagt Annegret Ihbe, ASF-Vorsitzende in Braunschweig und selbst Mitglied ihrer Fraktion im Rat der Stadt. Nicht ohne Stolz weist die 58-jährige Regierungsschuldirektorin darauf hin, dass der SPD-Bezirk Braunschweig schon seit Längerem das Reißverschlussverfahren verbindlich in seine Satzung aufgenommen hat. Dass die Vorgabe Früchte trägt, zeigt die derzeitige Zusammensetzung der Braunschweiger SPD-Ratsfraktion: sieben der insgesamt 15 Ratsmitglieder sind Frauen.

Und doch sieht Ihbe die Notwendigkeit, mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen. Nicht nur, dass es Frauen gegenüber noch immer Vorbehalte gebe – auch sie selbst trauten sich oft weniger zu als ihre Genossen. „Viele Frauen scheuen sich noch davor, die Männer zu verdrängen.“ Um das zu ändern, hat die Braunschweiger ASF unter dem Dach „Vorwärts Frauen – nach vorn“ ein Bündel an einzelnen Projekten geschnürt.

Die Idee hierfür entstand nach der verlorenen Bundestagswahl im Jahr 2009. „Erst einmal saßen alle mit hängenden Ohren da und waren frustriert. Da war uns klar: Wir müssen stärker die Frauen ansprechen.“ Auch in der SPD sind Frauen noch immer nicht ihrem Anteil in der Bevölkerung entsprechend vertreten und „wenn Frauen fehlen, müssen wir zeigen: Es gibt sie, aber sie müssen sich auch artikulieren“, sagt Ihbe. Deshalb schrieb die Braunschweiger ASF im vergangenen Jahr alle registrierten weiblichen Mitglieder an und lud ein zum Austausch. Die Resonanz war groß, die Themenpalette breit. „Wir konnten viele Frauen aktivieren, die sonst nicht mitmachen“, berichtet Ihbe – Frauen unterschiedlichen Alters, junge ebenso wie ältere mit ihren jeweils unterschiedlichen Erfahrungen.

Doch beim Austausch allein soll es nicht bleiben. Flankierend dazu will die ASF des Bezirks Braunschweig auch vor allem jungen Frauen Mut machen, in der Politik mitzumischen. Einen ersten Eindruck davon sollen sie in der „Sommerakademie“ gewinnen: Hier begleiten sie einen Tag lang eine Bundestagsabgeordnete bei ihrer Arbeit, besuchen Ausschusssitzungen und haben Gelegenheit, ihre Fragen los zu werden. Es sind die weiblichen Vorbilder, Frauen, die es bis nach oben geschafft haben, die den jungen Frauen Lust auf Politik machen sollen. Denn die lassen sich noch allzu oft abschrecken von dem gängigen Klischee, dass Parteiarbeit ein statisches und langwieriges Geschäft ist. Das dachte auch Nadine Hermann zuerst. Vor ihrem Parteieintritt im Jahr 2005 engagierte sich die heute 28-Jährige lange bei den Jusos und fand es „irgendwann selbstverständlich, in die Partei einzutreten.“

Die Architekturstudentin ist im Vorstand der Braunschweiger ASF und betreut zudem das Juso-Frauenforum. Sie fühlt sich auch als junge Frau in der SPD gut aufgehoben und doch sieht auch sie die Notwendigkeit, dass Frauen in der Partei besser zum Zuge kommen müssen. „Wenn wir bei einem Frauenanteil von 25 Prozent in der Partei bleiben wollen, können wir weitermachen wie bisher. Wenn wir aber mehr Frauen gewinnen wollen, müssen sie auch in die entscheidenden Positionen.“ Auch in der SPD würden Frauen nicht objektiv betrachtet, sondern oft emotionalisiert, kritisiert Hermann: „Die Quote ist schlichtweg ein Ausgleichsmittel, um solche Klischees auszuschalten.“

Andere Projekte unter dem Dach „Vorwärts Frauen – nach vorn“ befinden sich derzeit noch in der Planungsphase. Auch ein Mentoring-Programm soll den weiblichen Nachwuchs fit für die Politik machen und so mittelfristig den Anteil von Frauen in entscheidenden Positionen erhöhen. Hier wird einer jungen Frau, der Mentee, eine politikerfahrene Mentorin oder auch ein Mentor an die Seite gestellt. Die Mentees sollen hier lernen, wie die Partei aufgebaut ist und wie Parteiarbeit funktioniert. Darüber hinaus soll die Partnerschaft aber auch helfen, neue Kontakte zu knüpfen und sich innerhalb der Partei zu vernetzen.

Auch die Veranstaltungsreihe „Frauen in Betrieben“ nimmt konkrete Züge an. Hier will die Braunschweiger ASF auf Unternehmen aufmerksam machen, die Frauen- und Familienförderung ernst nehmen, indem sie ihren Beschäftigten flexible Arbeitszeitmodelle, betriebliche Kinderbetreuung und Frauenförderprogramme anbieten. Für Mai ist dazu eine Podiumsdiskussion mit zwei großen Unternehmen in Salzgitter und Wolfsburg geplant.

Annegret Ihbe will mit ihren Genossinen jedenfalls am Ball bleiben. Nach dem Internationalen Frauentag am 8. März will die ASF erneut zu einem offenen Treffen einladen. Dann wollen die Frauen des Bezirks Braunschweig nachhaken: „Wir habt Ihr Eure Listenplätze besetzt?“ Und für den Fall, dass das Ergebnis nicht zufrieden stellen ausfällt: „Was ist noch zu tun?“

Artikel verfasst von Nathalie Sopacua für den Vorwärts.