Evelyne Gebhardt MdEP: Wissenschafts- und Universitätslaufbahn von Frauen

Im Vertrag über die Europäische Union ist die Gleichstellung der Geschlechter ein ganz wesentlicher Grundsatz. Echte Gleichstellung erfahren wir allerdings in keinem einzigen Bereich. Da stellen auch Wissenschafts- und Universitätslaufbahnen keine rühmliche Ausnahme dar. Obwohl Frauen, etwa im Bildungssektor, teilweise die Mehrheit der Beschäftigten stellen, sind sie in den meisten wissenschaftlichen und technischen Bereichen, im Management und auf höheren hierarchischen Ebenen deutlich unterrepräsentiert.

in MINT-bezogenen Bildungsbereichen und Berufslaufbahnen etwa stellen Frauen gerade mal 24% der Fachkräfte in Wissenschaft und Technik. Der weibliche Anteil von Universitätsrektoren beträgt 10%. 59% der Hochschulabsolventen in der Europäischen Union sind weiblich, doch sind nur 18% ihrer Professoren Frauen. Ein nicht hinnehmbares Missverhältnis.

Das Europäische Parlament hat deshalb die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission unter anderem dazu aufgefordert,

-Frauen und Mädchen durch geeignete Kampagnen zu ermutigen Laufbahnen in allen Bereichen der Wissenschaft und Forschung einzuschlagen,

-Bildungsprogramme zu unterstützen, die Synergien und eine gegenseitige Bereicherung zwischen MINT-Fächern und Geisteswissenschaften anregen und

– endlich für Lohntransparenz zu sorgen.

Lage der Grundrechte in der Europäischen Union

Eine Befragung der Grundrechteagentur der Europäischen Union  ergab, dass jede dritte Frau nach ihrem 15. Lebensjahr Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt wurde und, dass schätzungsweise 3,7 Mio. Frauen in der EU im Laufe eines Jahres Opfer von sexueller Gewalt werden. Das sind erschreckende Zahlen, die noch schrecklichere Schicksale dokumentieren. Das Europäische Parlament fordert deshalb in seinem Bericht über die Lage der Grundrechte die Mitgliedsaaten auf gegen alle Formen von gegen Frauen gerichteter Gewalt vorzugehen und die Folgen von häuslicher Gewalt und von sexueller Ausbeutung in allen ihren Formen zu bekämpfen.

Es fordert außerdem die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, das Verfahren zum Beitritt zum Übereinkommen von Istanbul endlich einzuleiten und das Übereinkommen zu ratifizieren.

Stärkung der Stellung von Mädchen in der EU durch Bildung

Ungefähr 2.000 Mails von "besorgten Eltern" spammten diesen September mein E Mail-Konto. Im immer gleichen Wortlaut verlangten sie darin die Ablehnung des Berichts der sozialdemokratischen Kollegin Liliana Rodrigues zur Stärkung der Stellung von Mädchen und in der EU durch Bildung. Diese "besorgten Eltern" sprechen sich gegen eine sexuelle Aufklärung im Unterricht aus und gegen die Empfehlung an die Mitgliedstaaten zur Überarbeitung von Unterrichtsmaterialien und der geschlechtssensiblen und vorurteilsfreien Lehre in Bildungseinrichtungen. Hinter diesen Forderungen stehen erzkonservative Ansichten und stehen diffuse Ängste gegenüber einer aufgeklärten Weltanschauung. Diese "besorgten Eltern" sehen ihre Rechte als Vater und Mutter in Gefahr. Dabei sollten sie lieber an die Rechte ihrer Kinder, insbesondere ihrer Töchter, denken. An das Recht weltoffen und vorurteilfrei aufzuwachsen, und an das Recht auf Aufklärung, damit sie später ihre eigenen Neigungen und die der anderen respektieren lernen.

Die Furcht vor dem Verlust des Trugbilds einer heilen Welt macht diese "besorgten Eltern" zu besorgniserregenden Eltern, die einen guten Teil der konservativen Kräfte im Europäischen Parlament hinter sich wissen. Da wundert es nicht, dass die rechtsextreme Fraktion unter der Leitung von Le Pen den Bericht geschlossen abgelehnt hat.

Glücklicherweise haben wir uns durchgesetzt. Ich frage mich allerdings, warum wir uns im 21. Jahrhundert wirklich noch ernsthaft darum streiten müssen, dass wir die Stellung von Mädchen in der EU durch Bildung stärken.

evelyne.gebhardt@nulleuroparl.europa.eu